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Deep Web, Darknet und Cybercrime Empires
01Um das Darknet ranken sich viele Mythen. Auch der Begriff Deep Web fällt in dem Medien häufiger, wenn über düstere Ecken des Internets geredet wird. Wenn man etwas Licht auf die Realitäten hinter den Begriffen wirft, lösen sich manche davon allerdings in Luft auf.
Das Clearnet oder Surface Web ist das, was wir beim täglichen Surfen häufig besuchen. Suchmaschinen wie Google oder Bing (oder DuckDuckGo etc.) liefern uns Links auf Seiten im Surface Web. Sei das nun spiegel.de oder heise.de, all diese Seiten werden dem Clearnet zugeordnet.
Das Deep Web ist meist nur einen Login vom Surface Web entfernt: es bezeichnet die Seiten, die von einer Suchmaschine zum Beispiel mangels Logindaten nicht indiziert werden können. Es gibt hierzu noch andere Definitionen, aber für den Zweck des Blogs wird alles mit Deep Web bezeichnet, was Crawler von Google und Bing nicht indizieren können. Neben Facebook-Seiten zum Beispiel, die ‑je nach Privatsphäreneinstellung- nur sichtbar nach Login oder für Freunde sind, gibt es auch trivialere Beispiele für diese Definition des Deep Web, wie zum Beispiel die robots.txt auf Webseiten, die eine Indizierung der in ihr aufgelisteten Verzeichnisse für Crawler von Suchmaschinen verbietet.
Belastbare Zahlen zu finden, ist nicht immer ganz einfach, aber man geht davon aus, dass ca. 15% des World Wide Web aus Clearnet bestehen, und der Rest dem Deep Web zugeordnet wird. Zumindest die Größenordnung dürfte passen.
Das Darknet ist gar nicht mit einem regulären Browser erreichbar; und wenn hier von “Darknet” die Rede ist, ist das Tor-Netz damit gemeint. Es gibt noch viele weitere Darknets, aber Tor ist ‑zumindest meinem Kenntnisstand nach- das populärste und meist frequentierte.
Viele Personen, die das Darknet nutzen, weisen darauf hin, dass es hier nicht notwendigerweise um illegale Inhalte geht, sondern auch um Anonymität. Auf Grund der technischen Realisierung der Kommunikation zwischen Person und Server ist eine Identifikation der Person so gut wie unmöglich — auch wenn es theoretische, sehr aufwändige Szenarien gibt, mit denen einzelne Benutzer identifiziert werden könnten. Diese dürften aber, wenn überhaupt, für die Al Capones des Darknet eingesetzt werden, und nicht für die regulären Benutzer.
Neben der Anonymität gibt es noch andere nützliche Vorteile. Wer als Kind oder später Agentenbücher und ‑filme verschlungen hat, kennt vielleicht das Konzept vom „Toten Briefkasten“. Früher war das zum Beispiel ein unauffälliges, kleines Loch in einer Hauswand, in welchem ein Agent ein codiertes Papier für seinen Kommunikationspartner hinterlassen konnte. Diejenige Person konnte Stunden oder Tage später beim Spazieren den Toten Briefkasten checken und die Nachricht unauffällig entfernen und daheim dechiffrieren. Die beiden Gesprächspartner wurden nie zusammen gesehen.
Auf digitaler Ebene gibt es das zum Beispiel für Whistleblower: Menschen, die dringend Informationen an die Öffentlichkeit oder Presse liefern wollen, ihre Identität jedoch nicht gefährden möchten.
Für Staaten mit Zensur unerwünschter Inhalte oder Einschränkung erhältlicher Informationen sind Bibliotheken und Wissensdatenbanken im Darknet ein Dorn im Auge; denn das läuft außer Kontrolle.
Auch vieles, was im regulären Netz teuer bezahlt werden muss wie wissenschaftliche Arbeiten und Abhandlungen, ist dort frei erhältlich. Eine Fundgrube für Wissenschaftler, deren Forschungsbudget es nicht erlaubt, einem Portalbetreiber dreistellige Beträge zu zahlen, um Zugriff auf die Arbeit einer Kollegin zu bekommen, die von dem Geld auch so gut wie nichts sehen wird.
Manche Leute werden von den urbanen Legenden abgeschreckt, die sich um das Darknet ranken; so geistert dort laut Digitalmystikern eine US-Regierungs-AI namens CAMEIO herum, die aus dem Darknet fliehen will und Hilfe benötigt. Oder aber ein Videospiel namens “Sad Satan”, welches den PC killt, wenn man es spielt. Und vieles mehr; manches mit einem Kern Wahrheit, manches vollkommen irrational.
Alberto Brandolini hat dazu passend sinngemäß gesagt, dass der Energieaufwand um Blödsinn zu widerlegen, leider eine Größenordnung höher ist als der, Blödsinn zu erfinden.
Die Benutzerzahlen für Tor — einzusehen unter https://metrics.torproject.org — schwanken zwischen ca. 2 bis 2.5 Millionen, und das Angebot umfasst momentan knappe 200.000 Seiten. Marktplätze für alle Arten von Gütern, Foren und Wissensdatenbanken für Diskussion und Austausch von Informationen jeder Art und letztlich auch Pornographie machen davon einen Großteil aus.
Marktplätze handeln üblicherweise mit den Gütern und Dienstleistungen, die in den meisten Ländern als illegal gelten; Drogen, Waffen und dergleichen. Der Marktplatz selbst ist Treuhänder; denn wenn man Geschäfte mit Kriminellen macht, ist es notorisch schwer, bei Problemen Unterstützung durch die Verbraucherschutzbehörde oder Polizei zu bekommen. Soll heißen, bei abgeschlossenem Kauf überweist der Käufer die Summe (fast immer in Bitcoin) an den Marktplatz, der das wiederum dem Verkäufer meldet. Dieser schickt die Waren los, und sobald der Käufer den Erhalt bestätigt, sendet der Marktplatz dem Verkäufer das Geld. Minus einen Abschlag von bis zu 30% (einen größeren Schnitt als Apple in seinem Store nimmt kaum jemand).
Das funktioniert meistens gut, bis zu dem Zeitpunkt, an dem eines von drei Dingen passiert:
1. Der Marktplatz wird von Behörden übernommen und zum Schein weiter betrieben. Meistens, um die Identitäten der größten Dealer und Verkäufer festzustellen, seltener wegen der Käufer.
2. Die Marktplatzbetreiber haben genügend Geld gemacht, kündigen eine Schließung mit Vorlauf an und verschwinden aus dem Darknet.
3. Es ist grade so viel Geld im Treuhänderkonto, dass die Marktplatzbetreiber einfach damit abhauen. Käufer kriegen keine Ware, Verkäufer kein Geld — diese als “Exit Scam” bezeichnete Variante ist verbreitet.
Wenn man sich dann aber eine Karriere als Crimelord — oder Crimelady — überlegt, fallen zwei Dinge auf. Das erste ist, dass es mit wenigem Wissen und verhältnismäßig geringem Einstiegskapital möglich ist, ein Botnetz zu bauen oder zu mieten und dieses illegal zu nutzen, oder auch Tausende gestohlene Accounts von Diensten wie Spotify oder Netflix günstig weiterzuverkaufen.
Das andere, was auffällt, ist das trotz Anonymität immens hohe Risiko. Entweder man macht damit kaum Geld und ist als kleiner Fisch nicht interessant (macht aber eben auch damit kaum Geld), oder man schafft ein Imperium, welches täglich Millionen bringt. Im zweiten Fall sind aber sehr schnell viele Behörden unterschiedlicher Länder interessiert, das zu stoppen und die Hintermänner festzunehmen. Erstaunlicherweise arbeiten hier auch unterschiedliche Beamte und Behörden verschiedener Staaten recht gut zusammen; und meistens sind es Kleinigkeiten, die den Fall einläuten.
Analog war es bei Al Capone die Steuererklärung. In der digitalen Welt waren es Redewendungen, die Crimelords in ihrer regulären Identität wie auch als Kingpin benutzt haben, oder Nicknames, die mit beiden Personas verbunden waren.
Es ist zwar immer massive Arbeit für die entsprechenden Behörden dahinter, aber so gesetzlos wie manche Ecken des Darknet wirken können, sind sie es letztlich nicht.
Von den Konsequenzen einer erfolgreichen digitalen kriminellen Karriere ist ebenfalls dringend abzuraten: zwischen 20 Jahren und mehrfach lebenslänglich plus 40 Jahre ist alles dabei, wenn die USA einem denn habhaft werden.

Beschäftigt sich seit den späten 80ern mit Themen rund um Cyber-Security. Beruflich erfolgte die Fokussierung auf die Absicherung von Netzwerken sowie Bedrohungen aus dem Internet in 1999, mit Arbeitsplätzen in Schottland und Deutschland. Seit 2010 tätig für die DATEV in Themengebieten rund um Netzwerksicherheit und Internet-Security.

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