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Bargeld und Datenschutz Teil 3
Die bisherigen Beiträge zum Thema „Bargeld und Datenschutz“ beschrieben die möglichen Auswirkungen einer bargeldlosen Gesellschaft. Die Entwicklungen der letzten Monate zeigen, dass es sinnvoll ist, die absehbaren Risiken weiter zu konkretisieren.
Unter anderem aus den Quellen der Bundesbank ist zu entnehmen, dass der Anteil der Bargeldnutzung in Deutschland mit knapp 80 % noch relativ hoch liegt. Dänemark und Schweden bilden demnach mit
ca. 20 % — 30 % das Schlusslicht, wobei die Zahlen je nach Statistik stark schwanken und gemäß der US-Finanzwebsite Zerohedge z. B. nur noch ca. 2 % der Transaktionen ausmachen. Beide Länder sind demnach Vorreiter hin zum elektronischen Zahlungsverkehr und Befürchtungen werden laut, dass dort das Bargeld in ca. fünf Jahren ganz abgeschafft werden könnte. Ähnliche Tendenzen sind weltweit zu beobachten. So ist z. B. die Bargeldnutzung in Großbritannien kontinuierlich von 64 % im Jahr 2005 auf 45 % im Jahr 2015 gesunken und wird 2021 voraussichtlich nur noch etwa 27 % betragen.
Zeitgleich sinkt global betrachtet der Anteil der Bargeldreserven gegenüber dem Giralgeld signifikant, so dass im Bedarfsfall wohl nicht jeder Bürger sein Vermögen dann bar ausgezahlt bekommen könnte, wenn er es wollte oder bräuchte. Parallel dazu verläuft die Streichung großer Banknoten. In den USA wurden zum Beispiel seit 1945 Banknoten im Wert von 500, 1.000 und 10.000 Dollar gestrichen und in China ist der größte Geldschein, die 100-Renminbi-Yuan-Note, gerade noch knapp 14 Euro wert. In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist, dass die Währung am 30.11.2015 durch den Internationalen Währungsfond (IWF) zur fünften globalen Leitwährung neben US-Dollar, Euro, britischem Pfund und Yen erklärt und am 01.10.2016 als fünfte Währung in den Weltwährungskorb des IWF aufgenommen wurde.
Zur Verdeutlichung der individuellen Risiken einer Bargeldabschaffung folgt nochmals eine erweiterte Aufzählung möglicher Auswirkungen. Der bewusst verwendete Konjunktiv soll nicht davon abhalten, selbstkritisch zu prüfen, ob und in welchem Ausmaß hier bereits von einer gelebten Praxis ausgegangen werden muss.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht wären alle Käufe und Verkäufe bekannt und dauerhaft gespeichert. Bürger verlören damit die Möglichkeit, Zahlungen ohne Datenspuren zu leisten und damit zum Schutz ihrer Privatsphäre beizutragen. Das Konsumverhalten jedes Einzelnen könnte per Big Data detailliert ausgewertet und zur Bildung von Kundenprofilen herangezogen werden. Kunden können Risikogruppen (z. B. hinsichtlich politischer oder religiöser Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit, Hobbys, Lebensstil, Vereinszugehörigkeit) zugeordnet und damit manipuliert und gesteuert werden. Die möglichen Folgen bei einem „Rutsch durch das digitale Raster“ wären unabsehbar: teilweise oder gänzlich Sperrung des Bankkontos, Verteuerung vermeintlich ungesunder, gefährlicher oder politisch bzw. gesellschaftlich geächteter Produkte, individuelle Anpassungen von Versicherungsbeiträgen, Entscheidungsbasis im Berufsumfeld sowie sonstige Bonus- und Malus-Aktionen mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Berufs- und Privatleben sowie die privaten Einnahmen und Ausgaben.
Soziologisch betrachtet wäre das Gefühl für den Geld- und Warenwert gefährdet. Bargeld als Erziehungsmittel zum verantwortungsbewussten Umgang mit Geld ginge verloren und private finanzielle Anerkennungen wären erheblich erschwert. Letztlich könnte das Gefühl einer lückenlosen Totalüberwachung bei nicht mehr vorhandenen Rückzugsmöglichkeiten zu einem bisher nicht gekannten Gefühl der Freiheitseinschränkung führen.
Sicherheitstechnisch wäre die Abhängigkeit von einer funktionierenden Digitalisierung des Geldverkehrs immens. Systemfehler oder Hackerangriffe könnten den Zugang zum Privatvermögen teilweise oder vollständig behindern. Staat und Bürger wären noch verwundbarer gegenüber Cyberangriffen auf öffentliche und private Ziele mit unübersehbaren Folgen für die Handlungsunfähigkeit von Staat und Gesellschaft. Dass sich die Kriminalität bereits heute mit rasanter Geschwindigkeit in die digitale Welt verlagert, ist sicher kein Geheimnis mehr. Die aktuelle Diskussion um die Datensicherheit neuer NFC-Kreditkarten zeigt nur einmal mehr, dass 100 %ige Sicherheit nicht möglich ist. Immerhin ist die Öffentlichkeit zwischenzeitlich sensibilisiert, dass die Daten solcher Kreditkarten unverschlüsselt an die Kassensysteme der Geschäfte übermittelt und durch passende Lesegeräte berührungslos ausgelesen werden können. Offensichtlich ernstgemeinte Vorschläge zum Schutz, wie z. B. das Einwickeln der Karten in Alu-Folie, stärken vermutlich nicht zwangsläufig das Vertrauen in digitalisierte Zahlungsvorgänge. Auch die immer professionelleren Angriffsmethoden mit teilweise maßgeschneiderten E‑Mails (z. B. Antworten auf ein Bewerbungsschreiben), kombiniert mit der Erkenntnis, dass z. B. Erpressungs-Trojaner wie „Cerber“ immer mächtiger werden, untermauern diese Annahme.
Absehbare Folgen aus finanzpolitischer Sicht wären die mögliche Enteignung, Entrechtung und Diffamierung der Bürger. Sie könnten zu Geiseln der Banken und des Staates werden durch Steuern, Abgaben, Zuschläge, Gebühren, Strafzinsen, Zwangshypotheken etc. Das Geld als „Eigentum“ wäre nicht länger in den Händen der Eigentümer. Diese würden nur noch Dokumente mit zweifelhafter Beweiskraft besitzen. Denn die Datenbanken mit dem digitalen Nachweis des Anspruchs lägen in den Händen der Banken. Durch die Umverteilung der EU-Transferunion wachsen bereits heute Zweifel darüber, ob finanzpolitisches Fehlverhalten (z. B. Überschuldung) ausreichend sanktioniert und stabilisierende Regeln beibehalten bzw. konsequent umgesetzt werden. Bankrotte westlicher Industrienationen könnten einen „Neustart“ des Währungssystems mit weitreichenden Enteignungen zur Folge haben. Zahlungen mit Giral-Geld würden dann ggf. schrittweise durch Tauschgeschäfte oder durch andere Währungen wie Edelmetalle oder Waren ersetzt werden.
Die möglichen Folgen einer Bargeldabschaffung kombiniert mit den heutigen Überwachungsmöglichkeiten (Videokameras, Internet der Dinge, smarte mobile Technologie, zunehmende Digitalisierung der KFZ etc.) ließen weitere Annahmen durch ein geschlossenes und wettbewerbsfreies Geldsystem zu: Förderung von Kontrolle, Manipulation und Gleichschaltung mit der Gefahr einer schleichenden Gefährdung demokratischer Strukturen und somit der politischen Stabilität.
Die möglichen Risiken erscheinen insbesondere dann nicht mehr realitätsfern, wenn die Existenz internationaler Datenhändler wahrgenommen wird. Markus Morgenroth beschreibt in seinem Buch „Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich“ eindrucksvoll deren wahre Macht. Demnach verfügen einige dieser Unternehmen heute über hunderte von Einzelangaben pro Haushalt, haben Millionen von Kundenprofilen gespeichert, können fast jede Anschrift in Deutschland exakt qualifizieren, sammeln teilweise seit Jahrzehnten Gesundheitsdaten von Patienten, verfügen über Millionen von Patientenbiografien und bieten diese Daten Interessenten weltweit zum Kauf an. Als Datenquelle wird zum großen Teil der Bürger selbst identifiziert, denn, so Morgenroth, „soziale Netzwerke zu nutzen heißt, die Kontrolle über seine Daten zu verlieren“. Weiter heißt es: „die Plattformen sind gigantische Datenstaubsauger und wir füttern sie täglich mit unvorstellbar großen Datenbergen“.
Die Aussage des Deutschen-Bank-CEO am 20.01.2016, dass „in zehn Jahren“ … „das Bargeld wahrscheinlich nicht mehr existieren“ wird, passt letztlich in das beschriebene Szenario. Ebenso die kritischen Pressemeldungen über den seit Anfang 2016 stetig sinkenden Aktienkurs und den aktuell negativen Ausblick für die Bonität des Geldhauses gemäß der Ratingagentur S&P. Denn die Geldstrafe in den USA könnte am Ende die Rückstellungen der Bank übersteigen, wie Fabian Strebin, Redakteur von www.deraktionaer.de in seinem Artikel „Deutsche Bank: Schrecken am Montag Morgen“ vom 10.10.2016 drastisch darstellt.
Vielleicht kommt es nicht von ungefähr, dass der Text von Reinhard Meys politischem Song „Sei wachsam“ derzeit so häufig im Internet diskutiert wird. Zitate und Kommentare würden diesen Rahmen sprengen – eine Empfehlung zum Lesen oder Hören sei hier dennoch ausdrücklich gegeben.
Nur so viel: „Sei wachsam“, denn „die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt“. Folglich liegt die Frage auf der Zunge, was denn dagegen spräche, das Bargeld weiterhin als ein Synonym für Freiheit zu betrachten und es daher weiterhin ganz bewusst kräftig zu nutzen? Und was denn dagegen spräche, ab sofort nur noch ganz bewusst diejenigen Daten digital von sich preiszugeben, die für den jeweiligen Zweck wirklich unbedingt zwingend nötig sind? Noch besteht die Möglichkeit, künftiges Handeln an den individuellen, subjektiven Preis der eigenen persönlichen Freiheit anzupassen. Nur an der Bequemlichkeit sollte es bitte nicht scheitern! Denn dieser Begriff ist gemäß Duden zwar positiv mit „als Leben erleichternde Annehmlichkeit“ aber auch mit Schlagworten wie „Apathie, Lethargie und Phlegma“ besetzt.
So sei zum Schluss das bekannte Zitat von Bertolt Brecht bemüht, welches wie kaum ein anderes, auch trefflich zu diesen Thema passt: „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.“

Dipl.-Betriebswirt (FH), Dipl.-Wirtschaftsinformatiker (FH), zertifizierter Datenschutz- und IT-Security Auditor (TÜV), 5 Jahre Projektleiter für attributive Qualitätssicherungssysteme mit statistischer Prozesskontrolle in der Automobil-Industrie, seit 1995 bei DATEV eG, zunächst zuständig für Produktmarketing und Service MS-Office-Produkte und Dokumentenorganisation im Geschäftsfeld Eigenorganisation, seit 2000 tätig für Vorstands-Korrespondenz, Qualitätsmanagement und Reporting in der Stabsstelle „Service Quality Management“ beim Bereichsvorstand Service und Vertrieb der DATEV eG, seit 2002 dort als Fachberater und Bereichsbeauftragter zuständig für den Datenschutz.

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