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Neuer Personalausweis: Irrationale Ängste und rationale Naivität
Das nPA-Konzept ist international geachtet, wird jedoch national mit Zurückhaltung betrachtet. Warum?
Seit einigen Jahren habe ich beruflich mit dem neuen Personalausweis zu tun. Mein Arbeitgeber plant ein nPA-Anwendungsszenario, das es Arbeitnehmern möglich macht, ihre Lohn- und Gehaltsabrechnung online einzusehen bzw. auch herunter zu laden. Ich kann mir also ein ganz gutes Bild davon machen, welche Stimmen und Stimmungen in den letzten Jahren zum nPA wahrnehmbar waren und sind. Was sich mir darstellt, ist rational kaum erklärbar.
Die technisch-organisatorische Qualität des neuen Personalausweises ist international geachtet und nicht wenige Länder orientieren sich daran. Der Chaos-Computer-Club hat auch nur Schwachstellen beschreiben können, die nicht direkt mit dem Ausweis zu tun haben und vermieden werden können. Trotzdem haben die Deutschen offenbar eine unausgesprochene Angst, von “ihrem Staat” ein Medium zu erhalten, das sie wohlmöglich zum “gläsernen Bürger” macht. Anders sind die aktuell 65% der Bürger nicht zu erklären, die sich bei der nPA-Beantragung gegen die Online-Funktion des nPA entscheiden. Ich vermute, die Gründe liegen tiefer. Vielleicht haben insbesondere die Deutschen die Erfahrung tief verinnerlicht, dass ein Staat sich auch gegen seine Bürger wendet, sie überwacht und abhört. Dann hätten wir es mit einem gesamtgesellschaftlichen Trauma zu tun, mit dem wir uns dringend auseinandersetzen sollten, um in der digitalen Welt die so wichtigen Vertrauensanker setzen zu können.
Was mir in diesem Kontext besonders “verrückt” erscheint: Millionen Deutsche tummeln sich mit ihrem z.T. kompletten Privatleben in angelsächsischen Netzwerken, deren Daten jederzeit von US-Behörden (der NSA — National Security Agency) eingesehen werden könnten, sollte sich die USA bedroht fühlen (“Patriot Act”). Mit unseren Kontakten, Kalendern, Bildern und Meinungen ermöglichen wir so eine detaillierte Profilierung bei ausländischen Geheimdiensten, wenn es einem Staat als notwendig erscheint, auf den wir keinen Einfluss haben. Genau aus diesem Grund muss man übrigens Unternehmen dazu raten, keine Daten auf Servern bzw. in Clouds von US-Anbietern zu halten, — Industriespionage wäre nicht zu verhindern. Unter anderem die Piratenpartei und der Chaos Computer Club arbeiten professionell über Facebook und Co. — sind aber anderseits ablehnend gegenüber den Angeboten der Bundesregierung. Wie bitte ist es gedanklich herleitbar, dass einerseits Daten freizügig jenen zu Verfügung gestellt werden, die Datenschutz gar nicht gewährleisten können, während andererseits jene mit größter Skepsis und Ablehnung bedacht werden, die sich nachweißlich datenschutzbezogen die größte Mühe geben und auch durch die eigene Stimme demokratisch überwachbar sind?
Ich verstehe das nicht. Letztens hielt ich einen Vortrag zum nPA vor 15/16-jährigen Abiturienten. Auf meine Frage hin, ob eine nPA-Nutzung im Facebook-Kontext für sie denkbar ist, war die Antwort der großen Mehrheit vehement und eindrucksvoll: “Niemals würde wir den nPA in so einem Kontext einsetzen, — da würden mit Sicherheit Daten ausgelesen und missbraucht werden. Ginge der LogIn nur mit dem nPA, würden wir auf Facebook verzichten”. Soso, — also Angst vor dem Auslesen der eigentlich eher “belanglosen” Daten auf dem nPA, während das eigene Facebook-Profil individuellen Vorlieben offenbart ? Vermutlich sind 46 Lenze schon zu viel, um jede aktuelle Schizophrenie zu verstehen, aber irrationale Ängste und rationale Naivität kann ich schon noch erkennen 😉

Dipl. Kaufmann (FH)
Seit 2002 bei DATEV, zunächst als Projektleitung elektronischer Rechtsverkehr tätig. Seit November 2009 ist Torsten Wunderlich Leiter des DATEV-Informationsbüro Berlin und dort in Gremien, Verbänden und politischen Ausschüssen am Ohr der Zeit zu eGovernment-Themen und deren IT-Sicherheitsmerkmalen. Oft übernimmt er die Rolle des “Übersetzers” zwischen Technikern, Juristen, Politikern und Betriebswirten, die oft keine gemeinsame Sprache in der Sache haben.

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